Archäologie und Ingenieurswesen arbeiten Hand in Hand für das MiQua

© Stadt Köln / Michael Bause
Unterfangungen unter ausgegrabenem historischen Mauerwerk im Jahr 2020

Die Geschichte

Unter dem Rathausplatz verbergen sich faszinierende Spuren der Stadtgeschichte. Dort befinden sich Überreste des römischen Statthalterpalastes aus dem 4. Jahrhundert und eine mittelalterliche Synagoge aus dem 11. Jahrhundert. Die Synagoge wurde in der Pogromnacht zum 24. August 1349 sehr stark beschädigt. Auf dem Areal des früheren jüdischen Viertels liegt zudem die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Ihr Schacht reicht 17 Meter bis zum Grundwasserspiegel hinunter. Nach 1096 wurde die Mikwe so umgebaut, wie sie heute erhalten ist. Nach Ausweisung der jüdischen Bevölkerung aus dem linksrheinischen Stadtgebiet im Jahr 1424 verlor die Synagoge ihre Funktion als zentrales Gebetshaus der jüdischen Gemeinde. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bebauung während des "Tausend-Bomben-Angriffs" in Schutt und Asche gelegt. Danach verschwand der alte Grundriss und die Ruine unter den asphaltierten Kriegstrümmern.

Die Anfänge der Archäologie am Rathausplatz

© Stadt Köln
Ausgrabungen unter Otto Doppelfeld im Jahr 1953 auf dem Rathausplatz

Beim Wiederaufbau und der Neugestaltung des Rathausplatzes hat ein Team unter Leitung von Otto Doppelfeld in den 1950er Jahren bei den archäologische Grabungen die Grundmauern und das Praetoriums freigelegt.

Seit den 1960er Jahren haben tausende Menschen die beeindruckenden Palastruinen des römischen Statthalterpalastes bewundert. Mindestens ebenso beeindruckend ist das mittelalterliche jüdische Viertel, das als das größte nördlich der Alpen gilt. Einmalig in Umfang und Erhaltungszustand sind die Relikte der Synagoge, das Ritualbad sowie die Gemeindebauten und Wohnhäuser.

© Rheinisches Bildarchiv, Anja Wegener, rba_d034054_10
Das Praetorium, der Amtssitz des Statthalters in der Hauptstadt Köln der römischen Provinz Niedergermanien

Das Projekt Archäologische Zone

2007 fanden erste Testgrabungen auf dem Rathausplatz statt. Im Jahr 2008 beauftragte uns der Rat mit der Planung eines jüdischen Museums an dieser Stelle. Daraufhin hat ein kleines Team begonnen, die Synagoge wieder ans Tageslicht zu bringen. Bevor die Bauarbeiten im Jahr 2015 mit den ersten Leitungsverlegungen begann, haben wir die Grabung zum Schutz vor dem schweren Baugerät mit Sand verfüllt. Alle historischen Mauern (Befunde) haben wir mit Holz, Flies und Stroh umgeben, nachdem alle beweglichen Fundstücke (Funde) gesichert und entnommen waren. Danach wurde die Bodenplatte hergestellt und wir konnten oberirdisch mit dem Stahlbau beginnen. Im Sommer 2022 konnten wir dann die ersten archäologischen Wände unterhalb Stahlbaus wieder freilegen.

Heute machen wir immer noch wertvolle Entdeckungen. Denn erst jetzt, mit den Tiefbauarbeiten für das MiQua, können unterirdische Bereiche archäologisch untersucht werden, die zuvor noch nie jemand in Augenschein nehmen konnte. So stießen wir auf Funde aus dem Pogrom von 1349 und auf bisher unbekannte Teile des römischen Praetoriums vor der Rathauslaube.

Altes bewahren und Neues schaffen

© Stadt Köln / Matthias Meurer
Historische Überreste im Goldschmiedeviertel werden mit Unterfangungen aus Beton gesichert

Die historischen Überreste von Rundbögen, Mauern oder Fußböden gründen in bis zu sieben Metern Tiefe. Um diesen historischen Schatz zu bewahren, arbeiten Archäologie und Tiefbau Hand in Hand. Dazu müssen wir die freigelegten Mauern aufwändig untergraben und stützen. Zwischen den  römischen, christlichen und jüdischen Relikten schaffen wir Stützwände und sogenannte Unterfangungen, die bis in diese Tiefe reichen müssen. Um alles sichern und per Hand dokumentieren zu können sowie ein ausreichend starkes Fundament zu schaffen, müssen Tiefbau und Archäologie sich abschnittsweise in Gruben unter die historischen Mauern vorgraben. Die Arbeiten werden nicht der Reihe nach ausgeführt. Vielmehr wechseln wir immer zwischen der Montagegrube und der Unterfangungsarbeit. So verhindern wir ein Absacken oder Beschädigen der archäologischen Bodendenkmäler. Dabei unterteilen wir die zu unterfangenen Bereiche in Segmente. Diese sind 50 bis 80 Zentimeter breit und etwa 50 Zentimeter hoch.

© Michael Bause
Die archäologischen Funde werden handschriftlich dokumentiert.

Besondere Befunde und Funde

Ein Höhepunkt des Rundgangs wird eine hebräische Inschrift sein, die auf die Entsorgungsstelle für die Latrine des jüdischen Viertels hinweist. Die jüngsten Funde reichen bis in die Zeit des Pogroms im Jahr 1349, die meisten sind jedoch eindeutig älter. Sie sind dem 12. sowie dem beginnenden 13. Jahrhundert zuzuordnen. Zu den ältesten Funden zählt ein Ohrring aus der Zeit vor oder um 1100. In den Bereichen der Keller der Bürgerhäuser und des Goldschmiedeviertels wurde sehr viel Schmuck freigelegt, aber auch eine alte Schuhwerkstatt und ein Ofen "Königswinterer Bauart". In den ehemaligen neuzeitlichen Kellern und im Bereich der Renaissance-Laube des Historischen Rathauses fanden sich Teile römischer Rundbögen, Fußböden und Fußbodenheizungen. Ebenso zu finden waren Brandschichten und andere Spuren von Einschlägen durch Phosporbomben und Bombeneinschlägen aus dem Zweiten Weltkrieg, die wir für die Ausstellung gesichert haben und sichtbar machen werden.

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Zu den ältesten Funden zählt dieser Ohring mit Gold und Perlen
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Fußballschuh aus dem Brandschutt
© Stadt Köln / Thomas Banneyer
Ofen "Königswinterer Bauart"
© Thomas Banneyer
Hebräische Inschrift "Das ist das Fenster, durch das die Exkremente herausgeholt werden."

Ein Glücksfall für die Archäologie

© Stadt Köln / Christian Knieps

Die Grabungsmannschaft der Archäologischen Zone hatte 2014 den umgestürzten Fundamentblock des Toraschreines gefunden und geborgen. Er hat für das Judentum eine ganz besondere Bedeutung. Im Innern einer Synagoge wird im Toraschrein mit der Tora der Sakraltext aufbewahrt, der die fünf Bücher Mose beinhaltet.

Mit der Rückführung des mittelalterlichen Toraschreinfundaments im November 2020 gab es einen weiteren Höhepunkt im Baustellen-Tagebuch, den so noch nie eine Bauleitung auf der Welt erlebt und bearbeitet haben dürfte. Durch eine der Arbeitsöffnungen in der Bodenplatte gelangte das einmalige Relikt nach unten in die künftige Ausstellung. Dieser Moment markierte den Abschluss monatelanger Planungs- und Ausführungsarbeiten. Zugleich starteten die Instandsetzungsarbeiten der historischen Mauern des mittelalterlichen jüdischen Viertels. Ein Meilenstein bei der Verwirklichung dieses einmaligen Museumsprojektes.

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