Mit 30.000 Euro dotierter Preis geht an den Lyriker José F. A. Oliver
Die Jury des mit 30.000 Euro dotierten Heinrich-Böll-Preises der Stadt Köln hat sich für den Lyriker und Essayisten José F. A. Oliver als Träger des diesjährigen Preises entschieden. Die Sitzung fand am 21. Mai 2021 unter dem Vorsitz von Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach in Vertretung für Oberbürgermeisterin Henriette Reker statt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker informierte José F. A. Oliver telefonisch über die Entscheidung der Jury. José F.A. Oliver ist hocherfreut über die Auszeichnung und nimmt den Preis gerne an.
An José F. A. Oliver fasziniert mich das gekonnte Wandern zwischen den Welten Andalusiens und des Schwarzwalds,
sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Oliver schafft es, eine Sprache zu entwickeln, in der man sich zu Hause fühlt. Er ist kein klassischer Romanautor, wie Heinrich Böll es war, der natürlich auch Gedichte schrieb. Aber Olivers Gedichte sind Musik – und oft singt er sie sogar. Dass er neben einem Literaturfestival auch Schreibwerkstätten für Schulen gegründet hat, um die Sprachsensibilität von Kindern und Jugendlichen fördern, zeigt sein gesellschaftspolitisches Engagement – und damit steht er in der Tradition Heinrich Bölls. Oliver reiht sich auf großartige Weise ein in die Riege der Preisträger*innen.
Der Schriftsteller Guy Helminger begründet die Wahl stellvertretend für die Jury wie folgt:
José F. A. Oliver gehört zu den herausragenden Lyrikern und Essayisten unserer Zeit. Die Sprachmagie seiner Verse sowie seiner Prosa, die ein Alphabet aus Aufbruch und Ankunft deklinieren, sind von analytischer Prägnanz, fein durchdacht und dabei von haptischer Lebenslust durchzogen.
1961 im Schwarzwald geboren, thematisiere José F. A. Oliver in seinen Büchern immer wieder das Nomadische der Heimat, indem er auf seine andalusische Herkunft rekurriere und so fremde Kulturräume begehbar mache, so Helminger in seiner Jurybegründung. Die sprachliche Nachbarschaft des Deutschen und Spanischen, des Andalusischen und Alemannischen, die in seinem Werk zu finden sei, vollziehe bei aller lokaler Verortung im Schwarzwald oder in Andalusien den Schritt ins Universale. Das aufklärerische Moment, das so zutage trete, die Auseinandersetzung mit Migration, mit Fragen der Integration, mit der Sprache als trennendem und verbindendem Element, stehe unverkennbar in der Tradition des Denkens Heinrich Bölls.
Helminger weiter:
José F. A. Oliver begreift Lyrik als Seinsform und damit Literatur als grundlegend für die Existenz, weil sie es bei aller erzählerischer Stringenz ermöglicht, die poetische Vieldeutigkeit aufrecht zu erhalten und so das Nebeneinander von Sichtweisen bejaht. Von seinen Gedichtbänden 'nachtrandspuren', 'unterschlupf' oder auch 'wundgewähr' über die Essaybände 'Mein andalusisches Schwarzwalddorf' und 'Fremdenzimmer' bis hin zu seinen didaktischen Anleitungen für das lyrische Schreiben im Unterricht geht ein musikalisches Plädoyer für Toleranz aus jenseits nationaler Identität. Diese Dichtung und Essayistik offenbaren Witz und Schönheit, den verschmitzten Ernst einer spielerischen Neugestaltung von Welt und damit von Zukunft. Selten war Literatur systemrelevanter.
Die Entscheidung der Jury, José F. A. Oliver den Heinrich-Böll-Preis zu verleihen, ehrt auf ihre Weise den Namensschöpfer des Preises, die Stadt Köln – und besonders José F. A. Oliver. José F. A. Oliver wird den mit 30.000 Euro dotierten Preis am Freitag, 26. November 2021, 18.30 Uhr, im Historischen Rathaus der Stadt Köln entgegennehmen.
An der Jurysitzung nahmen neben Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, Vertreter*innen aus Politik, Stadtverwaltung und als Fachjuror*innen Prof. Dr. Christof Hamann, Guy Helminger, Andreas Platthaus, Jackie Thomae und Ilija Trojanow teil.
Susanne Laugwitz-Aulbach als Vorsitzende der Jurysitzung betont:
Es war mir eine große Freude, diese so kompetent besetzte und aus vielen verschiedenen Städten online zugeschaltete Jury zu leiten. Die Vorstellung der verschiedenen Kandidat*innenvorschläge und anschließende Diskussion war inhaltlich eine große Bereicherung und das Votum für unseren diesjährigen Preisträger sehr eindeutig. José F. A. Oliver ist vielsprachig aufgewachsen und zeigt mit seinem sprachsensiblen und nicht direkt urteilenden Blick, Ambivalenzen auf. Er setzt die deutsche Sprache neu zusammen, ein wahrhaft interkultureller Dichter. Einige werden 'José Oliver auch als Kurator des Literaturfestivals 'LeseLenz' kennen, viele Jüngere durch seine Schreibwerkstätten mit Schüler*innen aller Schularten, in deren Lebenspraxis er das Schreiben erfolgreich integriert. Dass seine Gedichte zu akustischen Skulpturen werden können, wie das Fachjurymitglied Ilija Trojanow berichtete, lässt uns mit großer Spannung und Vorfreude auf seine Lesung in Köln am 25. November blicken, die traditionell am Vorabend der Preisverleihung und auch in diesem Jahr hoffentlich wieder in der Kölner Stadtbibliothek stattfinden wird.
Bisherige Preisträger*innen:
Hans Mayer (1980), Peter Weiß (1981), Wolfdietrich Schnurre (1982), Uwe Johnson (1983), Helmut Heißenbüttel (1984), Hans-Magnus Enzensberger (1985), Elfriede Jelinek (1986), Ludwig Harig (1987), Dieter Wellershoff (1988), Brigitte Kronauer (1989), Günter de Bruyn (1990), Rainald Goetz (1991), Hans Joachim Schädlich (1992), Alexander Kluge (1993), Jürgen Becker (1995), W.G. Sebald (1997), Gerhard Meier (1999), Marcel Beyer (2001), Anne Duden (2003), Ralf Rothmann (2005), Christoph Ransmayr (2007), Uwe Timm (2009), Ulrich Peltzer (2011), Eva Menasse (2013), Herta Müller (2015), Ilija Trojanow (2017) und Juli Zeh (2019).